f.22v Bewohner von Tangut, die ihre Idole verehren und Opfer darbringen / f.23 Einäscherung eines Verstorbenen in Tangut

Das Buch der Wunder der Welt, Marco Polo - Odorich von Pordenone

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f.22v Bewohner von Tangut, die ihre Idole verehren und Opfer darbringen / f.23 Einäscherung eines Verstorbenen in Tangut

Nach dreißig Tagen in der Wüste erreicht man die Region Tangut, ein Gebiet, in dem alte Riten für lokale Idole bewahrt werden. Jedes Jahr ziehen Familien mit Kindern ein Lamm auf, das sie am Ende des Zyklus opfern. Während des Festes bringen sie das Tier vor das Bild des Gottes, opfern es und kochen es, dann präsentieren sie es erneut mit großer Ehrfurcht. Sie glauben, dass die Gottheit sich am Aroma des Fleisches nährt -da die Bilder stumm und mundlos sind- und so die Gesundheit ihrer Kinder schützt. Danach sammeln sie das Fleisch, lassen einen kleinen Teil im Heiligtum und teilen den Rest mit Verwandten und Freunden bei einem rituellen Bankett. Die Knochen werden sorgfältig in einer Arche abgelegt, während der Priester den Kopf, die Haut, die Innereien und einen Teil des Fleisches erhält.

Beerdigungen folgen einem komplexen Zeremoniell. Wenn eine Person stirbt, transportieren die Angehörigen den Körper zu einer Einäscherungsstätte und passieren dabei mehrere kleine Holzhäuser, die reich mit Seide und Gold dekoriert sind, je nach den Ressourcen der Familie. Vor jedem Haus legen sie Nahrung hin, damit nach ihrem Glauben der Geist des Verstorbenen Kräfte wiedererlangt, bevor er eingeäschert wird. Am endgültigen Ort werfen sie Figuren aus Papier oder Rinde, die Tiere darstellen, sowie Papiergeld und Seidenstoffe ins Feuer: alles, um dem Verstorbenen Pferde, Kamele, Diener und Besitztümer in der anderen Welt zu sichern.

Während des Transports erklingen zahlreiche Musikinstrumente, da man glaubt, dass dies die Ankunft des Verstorbenen im Jenseits erleichtert. Ein Astrologe bestimmt immer den geeigneten Tag, um den Körper aus dem Haus zu holen und die Einäscherung durchzuführen, basierend auf dem Geburtsdatum und der Geburtszeit des Verstorbenen. Wenn die Sterne ungünstig stehen, muss der Leichnam Tage, Wochen oder Monate aufbewahrt werden, wobei er täglich gepflegt wird. Um Verwesung zu vermeiden, wird er in einem Sarg aus Palmplatten gelegt, mit Ton bedeckt und in parfümierte Seidenstoffe mit Gewürzen wie Safran oder Kampfer gewickelt. Wenn der passende Moment endlich kommt, zeigt der Astrologe sogar, durch welche Öffnung der Körper herausgeführt werden soll -die Tür, ein Fenster oder ein Loch in der Wand, falls nötig- um böse Geister zu vermeiden und die Familie vor Unglück zu schützen.


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