Das Buch der Schätze

f. 57r, Del elefante
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f. 57r, Über den Elefanten

Der Elefant ist das größte bekannte Landtier. Seine Stoßzähne sind aus Elfenbein. Seine Schnauze erhält den Namen eines Rüssels und gleicht einer Schlange. Mit ihm befördert er das Fressen in das Maul und deshalb ist er mit Stoßzähnen bewaffnet: mit ihm hat er soviel Kraft, dass er alles zerbricht was er zerschlägt.

Die Einwohner Cremonas erzählen, dass Kaiser Friedrich II. einen Elefanten nach Cremona brachte, den ihm der Priesterkönig Johannes aus Indien geschickt hatte und sie sahen ihn mit dem Rüssel einen beladenen Esel mit soviel Kraft schlagen, dass er ihn gegen ein Haus schleuderte. Und obwohl es sich um sehr wilde Tiere handelt, werden sie zahm, sobald sie gefangen werden. Aber er wird niemals ein Schiff besteigen, um ein Meer zu überqueren, wenn ihm sein Herr nicht verspricht, ihn wieder zurückzubringen.

Und man kann auf ihm reiten und ihn überall hinbringen, nicht mit einer Bremse sondern mit einem Eisenhaken. Und er ist so stark, dass auf ihn Holztürme und Kriegsgerät für die Schlacht geladen werden können. Aber Alexander der Große ließ gegen sie menschliche Figuren aus Kupfer bauen, gefüllt mit glühenden Kohlen, sodass die Elefanten, wenn sie auf sie einschlugen, sich verbrannten und ihre Rüssel verletzten, und sich aus Angst vor dem Feuer ihnen niemals wieder näherten.

Und ihr solltet wissen, dass sie mit großer Intelligenz und gutem Gedächtnis ausgestattet sind, denn sie befolgen die Disziplin von Sonne und Mond wie die Menschen. Und sie bewegen sich gemeinsam in großen Herden, und der älteste ist der Kapitän von allen; und der zweitälteste führt sie und treibt sie von hinten an. Und wenn sie kämpfen benutzen sie nur einen ihrer Stoßzähne und reservieren den anderen für alle Fälle; wenn sie allerdings kurz vor der Niederlage stehen, bemühen sie sich, beide zu benutzen.

Das Wesen der Elefanten ist so, dass die Elefantenkuh vor dem dreizehnten Lebensjahr und der männliche Elefant vor dem fünfzehnten nicht wissen, was die Wollust ist; und selbst dann sind sie so züchtig, dass es zwischen ihnen keinen Streit um die Weibchen gibt: jeder hat sein Weibchen, mit dem er sein ganzes Leben verbunden bleibt, sodass wenn einer sein Weibchen verliert oder sie ihr Männchen verliert, sie nie wieder einen Partner haben, sondern immer alleine durch die Wüsten streifen.

Und weil die Wollust bei ihnen nicht so heißblütig ist, damit sie sich wie die übrigen Tiere vereinen, kommt es vor, dass sie durch natürlichen Trieb, beide nach Osten in die Nähe des Irdischen Paradieses wandern, bis das Weibchen eine als Alraune bezeichnete Pflanze findet, von der sie frisst; und anschließend gibt sie dem Männchen zu fressen. An dieser Stelle erhitzt sich der Wille jedes einzelnen und sie vereinigen sich, um zu zeugen. Sie gebären nur ein Junges und nicht öfter als einmal im Leben. Dagegen erreichen sie ein Alter von bis zu dreihundert Jahren.

Wenn der Zeitpunkt der Geburt naht, begibt sich das Weibchen in einen See und das Männchen bewacht sie, während sie gebärt, aus Angst vor dem Drachen, der Feind der Elefanten ist und nach ihrem Blut trachtet, da die Elefanten es kälter und in größerer Menge als andere Tiere der Welt haben.

Und es sagen diejenigen, die ihn gesehen haben, dass das Wesen des Elefanten so ist, dass er, wenn er zu Boden stürzt, nicht dazu in der Lage ist, sich aufzurichten, da es ihm an Gelenken in den Knien mangelt. Doch die Natur, die weise Lehrerin aller Tiere ist, lehrt ihn, mit Rufen Hilfe anzufordern und er beginnt, so zu rufen, dass alle Elefanten der Erde oder zumindest zwölf herbeikommen und alle schreien gleichzeitig, bis ein sehr kleiner Elefant kommt, der sein Maul unter den Gestürzten legt und ihn anhebt.

Übersetzung des Originaltexts von Brunetto Lattini im Bestiarium des Buch des Schatzes (ca. 1230-1294)

Aufbewahrt in der Russischen Nationalbibliothek, Sankt Petersburg

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